Montag bis Sonntag

Es ist Sonntagabend und eigentlich hatte ich schon Montagmorgen das dringende Beduerfnis diesen Post zu schreiben.. doch es kam die ganze woche immer wieder etwas dazwischen und so sitze ich hier auf meinem Bett nach einem schoenen tag am strand.
Es war der Montagmorgen der mich zutiefst beeindruckt und vielleicht schon gepraegt hat und den ich schnellstmoeglich teilen wollte…
Aber wo anfangen zu erzaehlen?
..also, die Patienten auf unserer Station sind bis auf ein paar ausnahmen ziemlich krank bis schwer krank..es sind nur maenner, die meisten im alter von 30 bis 40 und einige Aeltere, die mit den uns bekannten krankheitsbildern kommen wie schlaganfall, diabetes und herzinsuffizienz… doch die meisten sind juenger, sie bilden ein ziemlich buntes bild der inneren medizin speziell der infektiologie wobei Tuberkulose meist in Kombination mit HIV das haeufigste ist..jedoch sind auch viele schwere Lebererkrankungen und Herzinsuffizienzen dabei, die leider meist viel zu spaet ins krankenhaus kommen oder frueh uebersehen wurden.
Insgesamt sind es im Schnitt vielleicht 40 Patienten, die von drei Interns ( aehnlich den PJlern jedoch mit fertigem Examen in der Tasche )betreut werden, ausserdem gibt es Montags und Donnerstags eine Major Ward Round, sozusagen eine grosse Visite mit einem Facharzt und einem zweiten erfahreneren Kollegen, die alle Patienten bei dieser Gelegenheit sehen.
..jedenfalls arbeite ich mit den drei Interns zusammen und versuche ihnen wo moeglich zu helfen, kleinere Eingriffe wie Lumbal- oder Pleurapunktionen zu machen und mit dem Ultraschall Verborgenes sichtbar zu machen…was auch erstaunlicherweise oft klappt..was wiederum nicht an meinen Faehigkeiten liegt, sondern weil einem die Pathologien hier oft ins Auge springen!
Soviel zu unserer Arbeit, was ich wohl nur andeuten kann, ist wie frustrierend diese Arbeit teilweise ist, wie schwerkrank die Patienten sind, obwohl sie doch oft keine dreissig Lebensjahre erreicht haben und wieviele Patienten eigentlich vor unseren Augen sterben..leider oft ohne das wir irgendetwas fuer sie tun konnten bzw fuer sie getan wird.
So komme ich zurueck zu dem besagten Montagmorgen, ein Tag an dem anscheinend auch wieder einer unserer Patienten sterben sollte..ohne Vorwarnung, zumindest hat sie keiner wahrgenommen und ohne Grund, wie mir immer wieder scheint, denn ist man doch zu jung um mit Mitte dreissig zu sterben, oder?
Jedenfalls kam ich in das Zimmer, in dem sich schon einer der Interns und mehrere Schwester um das Bett des Sterbenden gestellt hatten und der Intern versuchte den Mann zu reanimieren, was ihm, wie fast allen hier, nicht gelang und ich ihm leider auch nicht mehr helfen konnte. Die Bedingungen fuer eine Reanimation hier sind von vorne herein schlecht, es kommt kaum jemand zu Hilfe, es gibt kein Equipment und da ist auch dieses alles beherrschende Gefuehl der Ohnmacht `der Patient hat eh keine Chance und es wird ihm auch niemand anderes helfen` .. all das macht es unglaublich schwierig fuer einen ueberforderten Mediziner konsequent zu handeln… das ist meine Interpretation der Situation, die wir hier viel zu haeufig mit ansehen und einige von meinen Mitstudenten selber durchgemacht haben. Es ist aeusserst schwierig gegen dieses Gefuehl der Ohnmacht und gleichzeitig der Gleichgueltigkeit in einem selbst anzukommen.. eine Gleichgueltigkeit, die automatisch anklopft, wenn es einem zuviel wird und man nicht mehr weiss, wie man mit all dem Leid und der eigenen Ohnmacht umgehen soll.
Und ich glaube es braucht eine Menge Vorbilder, persoenliche aber vor allem auch in der Ausbildung, die einem die Courage vermitteln richtig zu handeln und auch unter erschwerten Bedingungen das Richtige oder zumindest Etwas zu tun und nicht zu frueh aufzugeben!
Ich hatte also an diesem Morgen nicht nur Mitgefuehl fuer den Patienten sondern auch fuer den Intern, mit dem ich eng zusammen arbeite und der auch nur ein paar Meter von mir entfernt wohnt..
Er kam nach kurzer Zeit wieder zur Visite, schien jedoch noch angeschlagen, aber wie der Zufall es wollte kamen wir zu einem der `alten` Patienten mit Herzinsuffizienz, der etwas verwirrt aber immer zu einem Spaesschen aufgelegt ist..und der Intern hilft ihm aus dem Bett heraus in eine sitzende Position, was den alten Mann sofort von seinem ihn quaelenden Husten befreit und beide lachen von Herzen.. und Medizin schien irgendwie wieder Sinn zu machen, vielleicht auch fuer meinen Kollegen, der die ganze Situation wahrscheinlich ganz anders wahrgenommen hat.

Comments

Anonymous said…
hi,liebste judy, vielen dank für diesen post, den ich leider jetzt erst lese( weil in der ganzen abgefuckten woche mal wieder keine zeit war,diesen blog zu öffnen) , der mich aber mal wieder sehr anrührt und in vieler hinsicht persönlich selbst betrifft : einerseits was die erinnerung an die eigene zeit in afrika angeht aber auch mein häufiges nachdenken über sinn und unsinn unserer eigenen hochentwickelten westlichen medizin in diesem reichen land ..... ich weiss, dass ich mit diesem kommentar deine gefühle nicht verbesssern kann, ich kann dir nur versichern, dass ich sie zutiefst verstehe und teile, und dass ich nicht nur manchmal wünschte, du würdest nicht die gleichen erfahrungen machen wie ich vor fast dreißig (!!!!) jahren in afrika , sondern auf ein besseres, entwickelteres,materiell besser ausgestatteteres system treffen, von fortschritt berichten können - ich würde mich so sehr freuen , aber dem ist wohl nicht so ,und das nicht mal in einem krannkenhaus mit starken partnern in germany !?? das ist allerdings bei allem naiven wunschdenken auch die realität, die man hier erfährt, wenn man nur die nachrichten über afrika gründlich genug aufnimmt.
Anonymous said…
im gegensatz dazu besteht meine tägliche erfahrung darin, dass selbst sehr alte patienten von unserer mit allem know how ausgerüsteten intensivmedizin aus schlimmsten totgeweihten zuständen herausgeholt werden und genesen, mal um noch jahrzehnte gut zu leben, mal bis zur nächsten weil alters- oder krankheitsbedingt zwangsläufigen dekompensation. einmal bin ich wirklich sehr glücklich über die medizinische entwicklung , wenn es z. bsp. die zweifache 31 jährige junge mutter betrifft, die nach der geburt eines gesunden jungen in ein multiorganversagen fällt infolge hämorrhagischen schocks nach nicht schnell und suffizient genug behandelten hohen cervixrisses ......, (ein sicheres schicksalshaftes todesurteil in deinen breiten), und hier für sie nach einer woche mit einsatz aller kräfte wieder ein neues leben beginnt .....und nicht selten frage ich mich, ob man die sehr alten menschen nicht mit über 85in einem hospiz und nicht im krkhs der sogenannten maximalversorgung , in ruhe sterben lassen sollte als sie mehrfach zu reanimieren........ wenn nur ein kleiner teil unserer mittel und manpower bei euch zur verfügung stünden, wieviel familien am victoriasee könnten wir soviel leid ersparen !!!!
leider gibt es nur wenige, die überhaupt darüber n
achdenken, und auch häufig nur , weil sie es selbst erfahren haben - der mehrzahl meiner kollegen ( und ich nehme es ihnen nicht mal sehr übel) ist das elend auf der welt ziemlich egal , sie ziehen einfach ihr programm hier durch, so wie man es ihnen beigebracht hat ....... über geld wird allenfalls nachgedacht in zusammenhang mit dem gewinn des arbeitgebers , nicht aber in zusammenhang damit, was es wohl an
benefit bringen würde, es in den armen teilen dieser welt uneigennützig zu investieren. alles nur ein tropfen auf den heißen stein ... höre ich schon die skeptiker rufen, aber macht nichts, man darf ja wohl sowohl träumen als auch ein paar kleine szenarien entwerfen, was tatsächlich möglich wäre, bzw. sein wird ,z. bsp.
wenn du selbst als facharzt nach ein paar jahren guter (!!)ausbildung wieder nach afrika kommst , was es bedeuten würde , wenn deutschland anstatt waffen zu exportieren und studiengebühren zu diskutieren , alle jungen mediziner z.bsp. kurz vor dem facharzt ,alle ingenieure u.s.w. für ein jahr auf staatskosten in der entwicklungshilfe einsetzen würde, oder gar wenn die G 8 die klimaprotokolle endlich durchsetzen würde......
ich wünsche dir sehr und bin aber auch überzeugt davon, dass die sich so heimtückisch zwangsläufig
einschleichende gleichgültigkeit nicht in zynismus als selbstschutz breit macht, sondern (bei allem realistischerweise zu ersehnendem pragmatismus ) durch eine große portion an mitleid, güte und hilfsbereitschaft in schach gehalten wird.
so weh es tut ,und glaube mir, ich weiss wie schmerzlich es ist, es ist vor allem eine durch nichts zu ersetzende erfahrung für das ganze leben.
und es ist dort kein krieg, es ist das ganz normale leben und gerade das ist so erschreckend - diese riesige schere zwischen armut des größten teils der weltbevölkerung und dem reichtum der prozentual wenigen, u.a. bei uns.
alle worte, schnell dahingeschrieben sind dürftig und mehr als unvollkommen,hier ist man immer in hast ....
lass dich fest umarmen , liebe judy. ganz ganz liebe grüße aus berlin , lass uns weiter schreiben!
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