Somewhere over the rainbow


Es ist knapp ein Monat vergangen, seitdem ich meinen letzten Post geschrieben hab. Inzwischen regnet es seit 3 Wochen fast täglich.. El Nino war vorhergesagt worden und bewahrheitet sich für diesen Teil der Erde mit übermässigen Regenfällen von Oktober bis Dezember. Es ist also jetzt schon wieder deutlich kühler und durch einige Dächer des Krankenhauses als auch das Dach über meinem Gästezimmer arbeitet sich das Wasser durch und es tropft auf einigen Ebenen. Die Strassen verwandeln sich zu Matschpisten und ich war selten so froh nur dreissig Meter bis zur nächsten Teerstrasse überwinden zu müssen. Wenn ich laufen gehe, kleben mir mehrere Zentimeter Schlamm von der berühmten black cotton soil an den Schuhen. Wahrscheinlich könnte man hieraus hervorragend töpfern. Nach einer anfänglichen Woche der Trauer über die schwindenden Sonnenstunden habe ich mich an den Regen gewöhnt. Die Natur spriesst, es entstehen Flüsse, Bäche, kleinere und grössere Tümpel, die Frösche schlüpfen in Tausenden über Nacht und veranstalten nächtliche Konzerte. Ein ganz besonderes Exemplar sitzt vor meinem Schlafzimmerfenster, er ruft mit der schrillen Stimme einer Katze in der Frequenz eines Frosches, gesehen habe ich ihn noch nicht. 


Meine Wohnung habe ich mit geliehenen und einigen günstig erstandenen Möbeln eingerichtet. Dazu habe ich einen Herd von einer Freundin bekommen und bin stolze Besitzerin eines gekauften kleinen Kühlschrankes. Ich fühle mich schon ziemlich wohl. Wenn nicht gerade der Strom weg ist und das Wasser nicht durch die Leitungen gepumpt werden kann, geniesse ich eine wunderbar heisse Dusche. Wasser und Strom klingt selbstverständlich für uns in Europa. Die Frage meines Swahililehrers, ob es in Deutschland Stromausfälle gäbe, konnte ich sehr schnell verneinen. Dabei habe ich realisiert, dass ich mich nicht mal daran erinnern kann, wann ich das letzte Mal einen Stromausfall in Europa erlebt habe. Ein Segen und Fluch (sind wir doch so abhängig) zu gleich? In diesem Teil von Tansania gibt es regelmässige Stromausfälle, der Strom wird sozusagen rationiert, über zwölf Stunden entweder tagsüber oder nachts und das je nach Saison circa zwei bis vier Mal pro Woche. Jetzt mit den intensiven Regenfällen soll es wohl besser werden, da durch Hydropower ein Grossteil des Stroms erzeugt wird. 





Meine Arbeit im Krankenhaus konnte ich immernoch nicht richtig beginnen, da mir noch die entscheidenen Papiere in Form von Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis fehlen. Diese Unsicherheit ob und wann und wie ich diese Papiere bekomme, hat mich dazu getrieben auf Empfehlung von meinen amerikanischen Kollegen aus der Neurochirurgie jemanden zu engagieren, der sich darum kümmert und es hoffentlich möglich machen wird, dass ich spätestens im Januar Patienten untersuchen und operieren darf.

In der Zwischenzeit habe ich aber ein Grossteil des Teams kennengelernt und bin zu Sprechstunden und Operationen mitgegangen. Die Brustchirurgie ist hier wie auch in den USA Teil der Allgemeinchirurgie und ein junges Team von engagierten Chirurginnen kümmert sich um die Patientinnen. Es wird vorhergesagt, dass die Zahl der Krebspatienten in Subsahara-Afrika, wie überall auf der Welt, in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen und die chirurgischen und onkologischen Therapiemöglichkeiten weit hinter der Nachfrage zurückfallen wird. Das gleiche wird auch vorhergesagt für alle non-communicable diseases wie Diabetes und Hypertension. Im Rahmen der zunehmenden ökonomischen Verbesserung der Lebensbedingungen in Ländern wie Tansania rücken die klassischen Tropenerkrankungen (Malaria, HIV und TB) seit Jahren in den Hintergrund. Hauptmorbidität und Mortalität werden durch Geburt, Verkehrsunfälle, Diabetes und Bluthochdurck, Krebserkrankungen und auch viele chirurgisch behandelbare Zustände bestimmt. Was ich hier vor Ort im KCMC sehe, ist leider, dass die meisten dieser Tumorpatienten viel zu spät kommen. Und offensichtlich kommen viele garnicht. Das einmal in der Woche stattfindene interdisziplinäre Tumorboard war hierfür für mich ein Augenöffner. Ein Tumorboard, einmal die Woche, für alle Disziplinen.... und es wurden vielleicht zehn Fälle vorgestellt. Ich war ehrlich gesagt schockiert! Dass es so wenig Fälle sind, liegt nicht an der pragmatischen Haltung der Ärzte, die ihren Patienten eine onkologische Betreuung unter anderem aus Kostengründen ersparen wollen. Häufig habe ich in der Sprechstunde fortgeschrittene klinisch eindeutige Fälle gesehen, bei denen trotzdem ein histologischer Nachweis erbracht wird, um zumindest eine palliative Behandlung durch die Onkologie zu initiieren. 

Die Menschen kommen 'einfach' nicht, ein Grossteil stirbt ohne je von einem Chirurgen oder Onkologen gesehen worden zu sein.

Die Schwelle in das einzige für Krebserkrankungen relativ gut ausgestattete Krankenhaus im Norden Tansanias zu kommen, scheint für viele Patienten enorm. Das ist zurückzuführen auf verschiedene Ursachen, eine sehr wichtige davon ist die finanzielle Komponente. Das KCMC muss sich wie jedes Krankenhaus in Tansania selbstständig finanzieren und jede Sprechstunde, Untersuchung und Operation kostet dementsprechend Geld. Ein steigender Anteil der Bevölkerung ist glücklicherweise krankenversichert, was zumindest ein Lichtblick am Horizont der Tumorbehandlung ist. Neben den finanziellen gibt es aber auch noch traditionelle Hürden. Viele der Patienten gehen zuerst zu traditionellen Heilern, wo sie auch Geld für die Therapie bezahlen müssen und leider nicht gut beraten werden. Nicht selten kommen sie dann zu spät und nach mehreren Überweisungen aus kleineren Krankenhäusern ohne jegliche Geldreserven ins KCMC. Es gibt auch hier einen Sozialdienst, der sich dieser Fälle annimmt. Die Hürden eine Ausnahme gewährt zu bekommen und nicht bezahlen zu müssen, sind jedoch sehr hoch. Tansania möchte die Krankenversicherung für alle einführen. Ist das möglich? Und kann das Land das bezahlen?

Ich wünsche mir dass mehr dieser Patientinnen in früheren Stadien ins Krankenhaus kommen um eine noch heilende und bezahlbare Behandlung zu erhalten. 

Ähnlich sieht es im Bereich des Gebärmutterhalskrebs aus, dessen Inzidenzen heute in den USA und Europa deutlich zurückgedrängt werden konnten durch die Früherkennung und die HPV Impfungen. Es ist noch ein weiter weg und wie so häufig stehen die Frauen in diesen Gesellschaften am unteren Ende der Leiter der Versorgung. 

Unsere Global Surgery Unit nimmt weiter an Form an und insbesondere eine deutsche Gynäkologin, die ein Brustkrebszentrum in Deutschland leitet, hat mir dazu verholfen eine erste Kollaboration in Form einer Klinikpartnerschaft ins Auge zu fassen. Die Idee ist es einen klinischen Austausch von Chirurgen und Chirurginnen aus Deutschland, der Schweiz und evtl anderen Ländern mit Kollegen aus Tansania zu organisieren. Die Möglichkeit ein Land, eine Klinik, Operationen, Sprechstunden und Behandlungsmethoden für einige Wochen kennenzulernen, scheint mir sinnvoll und für beide Seiten von Nutzen. In Deutschland gibt es hierfür bereits eine Initiative des BMZ mit Förderung durch die Else-Kröner-Fresenius-Stiftung in Form der sogenannten Klinikpartnerschaften. Eine erste Klinikpartnerschaft könnte also mit dem Brustzentrum der Gynäkologin aus Ost Westfalen entstehen und vielleicht mit etwas Glück könnte schon nächstes Jahr ein Kollege oder eine Kollegin aus unserem Team bei ihr mit am Operationstisch stehen und von ihrem langjährigen Erfahrungsschatz in der Brustchirurgie profitieren. 



Während ich das hier schreibe und meine Visionen zu Papier bringe, fliege ich bei klarem Sternenhimmel über Südeuropa. Ich bin auf dem Weg auf eine dreiwöchige Europatour...klingt fancy und ist es auch ;)



Insbesondere bin ich auf der Suche nach weiteren Partnern für unsere Global Surgery Unit am KCMC. Ich suche Klinikpartner in Deutschland und in der Schweiz vornehmlich in der Viszeral- und Kinderchirurgie. Ausserdem möchte ich mein Netzwerk weiter ausbauen, mit Fachexperten aus dem Global Health Bereich sprechen und für eventuelle Kollaborationen gewinnen. Auf meiner Rückreise konnte ich meinen Aufenthalt in Äthiopien mit ethiopian airlines um einige Tage verlängern um an einer Konferenz des College of Southern Eastern and Central African Surgeons (COSECSA) teilzunehmen. Da es in der Zukunft mit unserer Global Surgery Unit auch darum gehen wird, die Forschung im Bereich der Chirurgie am KCMC voranzutreiben, soll die Konferenz auch eine Möglichkeit sein Kollegen und Kolleginnen zu treffen, Netzwerke zu erkunden, Themengebiete zu eruieren und auch den Namen des KCMCs nach aussen zu tragen. Ich bin sehr gespannt auf die drei Tage in Addis Anfang Dezember.



Es bewegt sich sehr viel und ich bin sehr froh die Entscheidung getroffen zu haben am KCMC anzufangen. Neben meinem Chef, der der Direktor für alle chirurgischen Kliniken ist, gibt es einige Kollegen in der Allgemeinchirurgie, die sehr nett und äusserst willkommen heissend sind. Ich fühle mich schon jetzt als Teil des Teams und freue mich auf die Arbeit. Die Frustrationen eines afrikanischen Krankenhauses sind täglich spürbar, doch sind sie etwas erträglicher mit einem guten Team. Insbesondere meine Hoffnung auf einen guten fachlichen Austausch ist nicht enttäuscht worden. Da wir an einer Uniklinik sind, werden fast ununterbrochen und von Allen Studenten gelehrt und Assistenzärzte ausgebildet. Dabei wird teilweise sehr viel akademischer erläutert als ich es aus meinem Studium kenne. Mein Nachlesebedarf, was unter anderem die Pathophysiologie angeht, wächst daher stetig. Als ich das meinem südafrikanischen Freund Rodger erzählt habe, hatte er wieder einmal Tränen in den Augen. Und ich bin auch sehr froh, so das Wort über die Kompetenz und das Engagement der Ärzte am KCMC heraustragen zu dürfen.

Sich jetzt auf den Weg zu machen zu einer Europareise fühlt sich nicht ganz wie der richtige Zeitpunkt an, bin ich doch gerade erst das erste Mal richtig angekommen. Aber wie schön die Erkenntnis, dass ich angekommen bin. Und ich mich umso mehr freue wieder zurückzukommen... mit zwei Taschen voller Parmesan, Fondue und Schoko ;)

Noch zum Abschluss ein paar Fotos von einem Rundflug auf den ich eingeladen wurde... über Moshi und Umgebung in einem sehr kleinen Flugzeug! Unglaubliches Erlebnis, fliegen ist schon toll!







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