Ein Land kleiner als der See auf den wir jeden Tag schauen

Ein Land kleiner als der See auf den wir jeden Tag schauen, doch so anders, als dieses land in dem wir hier leben..das tor zu einem anderen teil afrikas, dem französischsprachigen, doch ist es nicht nur die sprache die hier anders ist..

Der erste Eindruck, bunte Häuser, grüne Hügel, saubere Straßen, wir fahren in einem nicht überfüllten Bus Richtung Kigali, bestaunen die für uns neue Szenerie, drei Stunden über Hügel, durch Täler bis es schon dunkel ist und wir endlich nach einem ganzen Tag Reise in Kigali ankommen. Der Unterschied zwischen Mwanza und Kigali könnte kaum größer sein, wird Mwanza von manchen schon als Millionenstadt bezeichnet, es ist auch wirklich die zweitgrößte Stadt in Tanzania, ist es doch in Wahrheit nicht mehr als ein großes Dorf...angelegt an drei großen Straßen, vier Kreisverkehren und einer Ampel...ohne Supermarkt oder Kino..an einem See voller Fisch und mit einer Bevölkerung aus allen Teilen Tanzanias, bestimmten Teilen Indiens und wenigen Europäern, Amerikanern und Goldminen-Südafrikanern.

Kigali.. über mehrere Hügel verstreut, verbunden durch breitspurige Straßen mit einem Zentrum aus großen Bankgebäuden und einem Shoppingcenter...die Atmosphäre wirkt ruhig, geschäftig aber ohne Trubel. Die Menschen sind zurückhaltender als in Tanzania, nicht so laut und aggressiv..und einfach nicht so interessiert an uns.

Das viel gelobte Memorialmuseum liegt nicht weit vom Zentrum entfernt und erinnert mich an unsere Holocaust-Gedenkstätten..der Vergleich liegt nah...und das Gefühl ist das Gleiche, wäre da nicht die Tatsache, dass dieser Genozid erst vor 16 Jahren stattgefunden hat und alle Beteiligten, wenn sie nicht ermordet wurden oder geflohen sind, direkt um uns ihr anscheinend normales Leben führen..
Umso beeindruckender, dass dieses Museum möglich ist und eine nationale Aufarbeitung versucht wird.. das Wort Genozid (Jenoside) scheint fast wie eine Marke Ruandas, überall taucht es auf und prägt das Bild für den Besucher. Wobei natürlich nicht zu vergessen ist, dass diese Aufarbeitung eine Initiative der Regierung ist und diese nach 1994 mehrheitlich aus Tutsis besteht..
Das Museum selbst war beeindruckend und interessant, die Ausstellung über den Genozid geprägt von dem Versuch einen Mittelweg zu finden aus Tatsachen und Schuldzuweisungen, aus Vergangenheit und Gegenwart, mit dem Ziel zu versöhnen, kein neues Feuer zu entfachen...mit einem Fokus auf die Vorgeschichte des Konfliktes zwischen Hutus und Tutsis, dem Einfluss kolonialer Mächte und ausländischer Kräfte vor, während und nach dem Genozid..die Rolle der UN und speziell Frankreichs.
Die Ausstellung spricht davon, dass es die Stämme der Hutus und Tutsis an sich garnicht gab, sondern es nur Klassen innerhalb der Bevölkerung waren, die von den Belgiern letztendlich festgestellt wurden und durch einen Eintrag im Pass diese Zugehörigkeit niedergeschrieben wurde. Die Unterscheidung wurde durch die Anzahl von Kühen gemacht, die jemand besaß, wobei weniger als 10 Kühe Hutus und mehr als 10 Kühe Tutsis bezeichnete... Wie die Tutsis jedoch zu ihrem auffallend anderen Aussehen gelangten, sie sind eindeutig größer, schlanker und haben andere Gesichtszüge als die Bantuvölker Ostafrikas, wird damit nicht erklärt. Aber die Ungenauigkeit ist wohl als Teil des versöhnenden Mittelwegs anzusehen..

Es ist unglaublich schwer diese schreckliche Geschichte aus nähester Vergangenheit zu begreifen, zu verarbeiten und irgendwie das Alltägliche und die Normalität auf den Straßen Ruandas nach dem Grauen dieser Wochen im April `94 zu verstehen. Wir sollten das Glück haben eine Gruppe von Ruandern kennenzulernen, die alle eine entscheidene Geschichte teilten, und zwar, dass sie im Kongo geboren wurden, dort ihre Kindheit verbrachten und 1994 zurück nach Ruanda kamen...auf den ersten Blick wurde mir jedoch nicht bewusst, dass sie alle Tutsis sind, dessen Familien schon 1959 nach dem Sturz des Königs in Ruanda in den Kongo fliehen mussten. Dort lebten sie ihr halbes bzw ganzes Leben in Kinshasa und kamen nun nach 35 Jahren mit ihren dort geborenen Kindern zurück, um dieses Land, das sie ihre Heimat nennen aufzubauen...und das mit einer Tatkraft und einem Willen, der einen nicht an Afrika denken lässt. Auch in Tanzania leben viele Ruander, viele von ihnen haben die Sitten der hiesigen Bevölkerung angenommen und nennen sich auch Tanzanier, wieviele von ihnen zurückgegangen sind, wer weiss... Und so lässt sich das Bild weiter zusammensetzen, viele von ihnen haben Verwandte auf der ganzen Welt, in Belgien, Europa, Amerika..und auch von diesen sind viele zurückgekommen in ihre Heimat und tragen jetzt ihren Teil dazu bei, dass dieses Land zumindest scheint zu florieren und auf dem besten Weg ist aus developing ein developed zu machen...
Dabei wird mir hier erst bewusst, wieviel es ausmacht, wenn eine Gesellschaft aus Rückkehrern, Exilanten besteht, die teilweise weit verstreut, fremden Einflüssen ausgesetzt waren, neue Sprachen lernen, sich anpassen mussten und irgendwie überleben mussten; und dabei ihre Wurzeln noch stärker verinnerlichten..

Ich glaube, dass es genau das ist, was man heute auf den Straßen Kigalis sehen kann und bewundert und so staunt, wie entwickelt dieses Land ist..in dem keine Plastiktüten erlaubt sind und schon ein Rauchverbot in allen überdachten Flächen existiert!

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